Es gibt so viele Worte für angenehme Erfahrungen. Freude, Zufriedenheit, Ruhe, Glück, Dankbarkeit. Ein Aspekt, der fast immer präsent bei diesen Erfahrungen ist, ist eine gefühlte Leichtigkeit – im Körper, aber auch in der Seele und im Geist. Es geht um den inneren Raum, um innere Weite, wo die Energie hoch ist. Da ist Bewegung und Lebendigkeit, aber ohne zu eng oder wuselig zu sein. Leichtigkeit eben.
Das Leben ist dicht
Es gibt Phasen im Leben, da ist es einfach intensiv und dicht. Nach der Geburt eines Kindes zum Beispiel, wenn das gesamte bisher gekannte Leben nicht mehr passt. Nach dem Beginn einer neuen Arbeitsstelle, wenn es darum geht, sich zu behaupten, sich im neuen Raum und in der Gruppe zurechtzufinden und überhaupt gesehen zu werden – im besten Fall, ohne sich allzu sehr zu verbiegen. Oder nach dem Umzug in eine neue Stadt, wenn es gilt, neue Bekanntschaften, neue Ärzte oder neue Lieblingscafés zu finden. Es wird auch intensiv, wenn sich ein uns nahestehender Mensch in einer Umwälzungsphase befindet. Ein Schulwechsel, eine Krankheit, Liebeskummer oder sonstiges kann alle sehr belasten. Es spielt hierbei gar keine Rolle, ob es sich um eine als positiv oder negativ bewertete Veränderung handelt. Jede Art von Veränderung ist herausfordernd und macht das Leben intensiv und gefühlt dicht.
Der „Ernst des Lebens“
Wenn ein Ereignis auf das andere folgt und dann auch noch globale Entwicklungen hinzukommen, dann kann es sein, dass sich das Leben sehr schwer anfühlt. Man hetzt von einem zum anderen und gibt sein Bestes und vergisst dabei, das Leben zu leben. Leben wird zu einer Liste und zu einer verbesserungsfähigen Aufgabe. Wenn außen kein Raum mehr für Spontanität ist, wird es auch innen eng. Und es wird schwer. Der „Ernst des Lebens“ holt uns ein und wir meinen, das sei einfach so, wenn man erwachsen wird. Verantwortungen drücken, Entscheidungen sind plötzlich so weitreichend und folgenschwer, und da um uns herum fast alle so funktionieren, denken wir, das sei richtig. Wir igeln uns ein und sind der Meinung, das würde eine gewisse Kontrolle und Stabilität garantieren. Natürlich gibt es Menschen, die sind mit mehr innerer Freiheit und Abenteuerlust unterwegs und geben unter dem Druck nicht so leicht nach. Diese sind aber relativ selten und werden immer wieder auch halb neidisch und halb abwertend belächelt als „ja, der/die macht sich das Leben schon sehr einfach“ und „wenn das jeder so machen würde, dann würde ja gar nichts mehr funktionieren“.
Etwas fehlt
Irgendwann aber merken wir, dass etwas fehlt: es fehlt die Freude, es fehlt das spontane Lachen und Vom-Plan-abweichen, es fehlt die Leichtigkeit. Wir fahren auf der Autobahn des Lebens und verpassen die Abfahrten. Und dann sehen wir kleine Kinder und wie sie staunend in die Welt blicken, in die Hocke gehen und die Schnecke betrachten, wie sie ohne Ende verstecken spielen können, im Sommer jauchzend durch den Rasensprinkler laufen und wie sie, wenn sie dürften, am liebsten ein Eis nach dem anderen essen würden. Dann denken wir: ach ja, Kind sein ist schön, da war das Leben noch einfach und leicht. Wir saßen einfach auf dem Rücksitz im Auto, hörten Musik oder spielten Spiele, vertrieben uns gemütlich die Zeit und schliefen immer wieder einfach auch ein, wenn der Körper müde wurde. Wann fing das Leben an, so ernst und schwer zu werden? Wann übernahm der innere Antreiber das Steuerrad und fuhr einfach immer weiter, weil er der Meinung ist, die Zeit der Pausen ist vorbei?
Raum für beides
Natürlich gibt es viele Veränderungen, wenn wir älter werden und große Entscheidungen anstehen. Es gibt finanzielle Verpflichtungen, Verantwortung für andere Menschen, wichtige Aufgaben bei der Arbeit und das Essen muss auch irgendwie auf den Tisch kommen. Aber es sollte Raum sein für beides: Ernst und Freude, Anspannung und Entspannung, Schwere und Leichtigkeit. Das Loslassen kommt nicht von selbst, das müssen wir bewusst machen – es uns bewusst erlauben. Wenn wir aus Gewohnheit und Pflichtbewusstsein den Fuß immer auf dem Gaspedal lassen, dann fühlt sich das irgendwann normal und damit „richtig“ an. Der Autopilot übernimmt, wir fahren einfach immer so weiter – irgend etwas ist ja immer noch zu erledigen oder zu erreichen. Für das Bremsen müssen wir den Fuß aber erstens vom Gaspedal nehmen und zweitens auf die Bremse steigen. Das müssen wir bewusst machen. Und auch wenn wir das immer mal wieder machen, dann fahren wir trotzdem auf unserem Weg weiter, eben nur etwas langsamer.
Wir müssen ganz anhalten und aussteigen
Für Spontanität und Überraschungen müssen wir ganz anhalten, sonst fahren wir vorbei. Sonst reicht es vielleicht für ein Lächeln und ein mentales „Oh, wie schön!“ Aber dann geht der Weg weiter und wir sind vorbeigefahren, auf dem Weg zu unserem Ziel. Um im Bild zu bleiben: wir können nicht wirklich in Kontakt treten mit dem Leben, wenn wir noch immer im Auto sitzen. Für Leichtigkeit müssen wir aus dem Wagen aussteigen und die Füße auf den Boden stellen. Wir müssen die Luft auf der Haut spüren, die Geräusche des Lebens hören, müssen die Augen öffnen für die Umgebung. Leichtigkeit können wir nicht tun oder erringen, sie stellt sich von selbst ein. Wir müssen nur empfänglich sein und den Boden bereiten, dann ist es möglich. Wir müssen immer wieder ganz anhalten und aussteigen. Natürlich können wir auf unserem Weg bleiben, das Ziel fest im Blick. Aber so wie wir bei jeder langen Autofahrt immer mal wieder den Tempomat einstellen und im Autopilot fahren, dann mal bremsen und langsamer fahren und dann auch wieder über die Autobahn rasen, so müssen wir auch immer wieder anhalten und tanken – und uns immer wieder auch die Beine vertreten. Uns strecken, mit anderen Reisenden sprechen, uns inspirieren lassen, miteinander lachen, neue Raststätten entdecken, neue Gerüche erfahren, und die Zeit vergessen. Wenn wir das machen, wird die Reise angenehmer und leichter und wir fühlen uns hinterher nicht vollkommen erschlagen.
Nimm dir die Zeit und halte an, immer wieder. Steig aus und strecke dich. Und dann schau, was kommen mag. Sei empfänglich. Lass die Leichtigkeit wieder in dein Leben, eine Raststätte nach der anderen.