Das Leben ist zu kurz für all die schönen Bücher (und immer mehr Podcasts), die es gibt. Immer lese ich etwa drei Bücher gleichzeitig, weil ich mich kaum entscheiden kann, welches JETZT GERADE wirklich das Wichtigste ist. Dafür dauert es aber meist sehr lange, ein Buch zu Ende zu lesen, denn viel Zeit zum Lesen habe ich nicht. Ich versuche aber, jeden Tag ein paar Seiten zu schaffen.
Und doch lese ich gegenwärtig ein Buch mit fast 400 Seiten ein zweites Mal. Schon beim erstenMal habe ich viel unterstrichen, mit Seitenmarkern gearbeitet und mir einige Zitate herausgeschrieben. Es hat mir unheimlich viel gebracht, dieses Buch zu lesen, so viele kluge und spannende Gedanken haben mich zum Nachdenken angeregt. Nun also lese ich es erneut und es trifft mich noch viel tiefer. In der Zwischenzeit hat sich mein Leben verändert, es sind Themen aufgetaucht, die zuvor nur als Konzept bekannt waren (und im Buch auch beschrieben wurden), jetzt aber als reale Erfahrung präsent sind. Es ist nun ein anderes Buch für mich, weil vieles anders haften bleibt und noch verständlicher ist.
Erneut, aber keine Wiederholung
In der Achtsamkeitspraxis gibt es den vielzitierten Anfängergeist. Es bedeutet, Erfahrungen offen und neugierig anzugehen, so als wäre es das erste Mal. Es geht hier um die alltäglichen Routinen, um die Offenheit in einem Gespräch, um das wirkliche hören, sehen, tasten, schmecken und sich die Frage stellen: „Wie ist es jetzt gerade? Was kann ich wahrnehmen in diesem Moment?“. Darum geht es hier auch, wobei ich den Anfängergeist gar nicht bewusst angewandt habe. Wovon ich hier spreche ist das bewusste Wiederholen einer Erfahrung – und innerlich ganz offen sein. Die Dinge sacken lassen auf ein tieferes Level, weil wir wissen: ich bin nicht mehr die Person, die die erstmalige Erfahrung gemacht hat. Alles verändert sich und das Leben verändert uns. Und alles, was wir erleben, wird auf anderen Grund treffen und auf dem Weg dahin neue Wellen ausschicken.
Überlege einmal, welches Lied du gerne hörst. Oder welcher Roman dich vor vielen Jahren gefangen hat. Welcher Film hat dich mitgenommen auf eine emotionale Reise, und welcher Ort hat etwas in dir berührt? Welche Pflichtlektüre aus der Schulzeit hat dich damals gepackt und du verstehst aber jetzt erst, weshalb? Wenn du magst, dann mach die entsprechende Erfahrung noch einmal und sei ganz offen, wie es für dich ist. Es gibt keine Wiederholung, es gibt kein wieder. Es gibt nur jetzt und die jetzige Erfahrung. Und erlebe anhand dieser Erfahrung: das Leben ist Veränderung. Es gibt kein „ich bin …“, sondern höchstens ein „gegenwärtig empfinde ich das so“. Schau mal, ob diese Erkenntnis etwas in dir auslöst.