FOMO - JOMO

November 2022
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Wer im englisch-sprachigen Raum unterwegs ist, der kennt vielleicht den Ausdruck FOMO. Es ist die Angst, etwas zu verpassen: Fear Of Missing Out. Sie äußert sich beispielsweise darin, dass wir auf jedes Ping des Handys reagieren, den Feed in den sozialen Medien akribisch verfolgen, die Nachrichten ständig abrufen, auf jede Einladung mit einer Zusage antworten und die neuesten Trends beobachten.

FOMO im Alltag

Je nachdem was uns wichtig ist, macht sich FOMO besonders im Umgang mit den sozialen Medien bemerkbar, in unseren realen Beziehungen und Sozialleben oder eher als passive Konsumenten von Information. Es mag auch sein, dass wir in einem bestimmten Bereich besonders gut sein möchten und uns überfordert fühlen von dem ständigen Erscheinen neuer Bücher, die man doch eigentlich kennen sollte, oder? Wer wie ich im Bereich der Achtsamkeit unterwegs ist und nicht auf eine Sprache limitiert ist, der kann schnell die Übersicht verlieren. Manche scheinen im Accord zu schreiben... Auch gibt es so viele tolle Konzerte, deren Ticketvorverkauf man verpasst, Diskussionsrunden mit spannenden Gästen, von deren Stattfinden man erst in der Zeitung liest („Am vergangenen Wochenende …“), hier war eine geführte Wanderung und dort eine interessante Neueröffnung – von dem riesigen Online-Angebot ganz zu schweigen.

Auf wie vielen Newsletter-Listen bist Du eingetragen, um ja nichts Wichtiges zu verpassen? Erscheint nicht das eigene Leben immer wieder etwas schal und zu voll mit Organisation und langweiligen To-Dos? Gibt es nicht so viele schöne Dinge, die man eigentlich machen könnte, wenn man nur davon wüsste? Die Angst, etwas zu verpassen oder das reale Gefühl der Unzufriedenheit, wenn man tatsächlich etwas verpasst hat, ist ständiger Begleiter.

Der neueste Trend: JOMO

Seit kurzem gesellt sich ein neuer Begriff in die soziale Welt: JOMO – Joy of Missing Out. Die Freude daran, nicht alles machen zu müssen. Die Freude daran, sich nicht überall angesprochen zu fühlen, das Hamsterrad zu verlassen. Das ist eine wunderbare Idee, setzt aber voraus, dass wir tatsächlich mehr und mehr zu einer inneren Zufriedenheit gelangen. Sonst ist es nur eine weitere Fähigkeit, die wir doch bitte erlernen sollten, kann doch nicht so schwer sein, oder? Und da ist es wieder, das nagende Gefühl von: und das kann ich auch noch nicht. Sicher, nicht jeder Trend aus dem englisch-sprachigen Raum muss übernommen werden, aber diesen inneren Drang, bloß nichts zu verpassen, den kennt wohl jeder. Das fängt schon im engsten Familienkreis an, wenn es darum geht, wer wen einlädt, von der nächsten Reise erzählt und wem nicht, wer das neueste Gerücht kennt und wer davon nur über drei Ecken erfährt, wer in welchen WhatsApp-Gruppen drin ist und wer nicht.

Zugrunde liegt hier das ganz fundamentale Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Der Mensch, der nicht zur Sippe gehörte, hat im Zweifelsfall nicht überlebt. Wir brauchen einander, und daher schmerzt das Gefühl, etwas nicht zu wissen oder zu verpassen, so tief. Es ist tatsächlich uralt. Unser Gehirn schlussfolgert ganz schnell: ich war nicht dabei resp. ich wurde nicht informiert -> ich gehöre nicht dazu -> die anderen wollen mich nicht dabei haben -> die anderen mögen mich nicht. All das passiert hauptsächlich unbewusst, ist aber immer wieder auch sehr real in den Gedanken. Und vielleicht haben wir in der Vergangenheit genau solche Erfahrungen der Ausgrenzung gemacht, die unsere Gedanken zu bestätigen scheinen: „Ich bin einfach nicht lustig oder spontan oder beliebt genug.“

Aktionismus aus dem Mangel heraus

Wer wie ich schon einige Male in seinem Leben umgezogen ist, der kennt diese schwierige Phase des Übergangs, die manchmal Jahre dauern kann. Die alte Gruppe ist weg und lebt ihr Leben weiter, es brechen Kontakte und Freundschaften weg. Eine neue Gruppe ist noch nicht da, man ist überall der/die Neue, und nun wird aus beiden Bereichen immer wieder gespiegelt: du gehörst nicht (nicht mehr bzw. noch nicht) dazu. Aber auch ohne Umzug und Veränderung gibt es immer wieder etwas, an dem man nicht teilhat. Aus diesem Gefühl des Mangels heraus passiert es schnell, dass wir in einen Aktionismus verfallen. Wir verlieren den Kontakt zu unserem Herzen und unserem Körpergefühl und hören nur noch „ich sollte …“ und „ich müsste …“. Unser Gehirn erzählt uns, es läge an uns, dass wir nicht dazugehören – dabei ist es das Natürlichste der Welt, dass wir nicht „auf allen Hochzeiten gleichzeitig“ tanzen können. Und doch tut es weh, dieses Gefühl der Isolation. Es ist einsam außerhalb der Gruppe. Und auch wenn wir in einer Gruppe sind, dann scheint oft die andere Gruppe da drüben irgendwie spannender, lebendiger, leichter, offener. Besonders hochsensible Menschen haben es oft schwer, eine Gemeinschaft zu finden, in welcher sie ganz sie selbst sein können. Das Gefühl der Unzulänglichkeit oder Isolation kann also auch innerhalb einer Gruppe bestehen bleiben.

Hilfsmittel für den Alltag

Diese tiefen Gefühle und Verletzungen lassen sich nicht wegatmen und es bedarf oft einer tiefgründigen Beschäftigung mit alten Mustern und verletzten Anteilen, um alte Wunden zu heilen. Dennoch gibt es Hilfsmittel, die es ermöglichen, im Alltag besser damit umzugehen.

  • Dankbarkeit. Das wirkungsvollste Mittel für etwas mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden im Leben ist laut Forschungen eine regelmäßige Dankbarkeitspraxis. Wenn wir uns jeden Tag ein paar Momente Zeit nehmen – gerne abends vor dem Schlafen – um uns in Gedächtnis zu rufen, was wir alles haben und wofür wir zutiefst dankbar sind, desto mehr nähren wir eine innere Zufriedenheit und Ruhe. Wir können für so vieles dankbar sein: Kaffeemaschine, funktionierende Beine, ein Zuhause, Kühlschrank mit Nahrung, Nachbarn oder Freunde, Katze, Partner, die Fähigkeit zu sehen und zu hören, Luft zum Atmen, Zugang zum Internet, Bildung erfahren haben und diese Zeilen verstehen können, etc.
  • Gedankenmuster erkennen. Mit Hilfe der achtsamen Pause können wir jedes Mal, wenn wir etwas sehen, was ein Gefühl des Ausgeschlossenseins oder der Einsamkeit auslöst, unsere Gedanken neugierig beobachten. Notizen können hier hilfreich sein, um Muster zu erkennen. „Ah, da vergleiche ich mich gerade mit anderen. Das gibt mir ein schales Gefühl. Ich wäre auch gerne am Wochenende bei der Feier gewesen. Meine Gedanken hängen fest an dem Satz, dass ich etwas verpasst habe.“
  • Gedankenmuster hinterfragen. Wir können anfangen, unsere Gedanken zu hinterfragen. „Stimmt das denn, dass ich nie ausgehe? Ist das wahr, dass ich keine Freunde habe? Werde ich wirklich nie eingeladen?“ – GLAUBE NICHT ALLES, WAS DU DENKST. Es sind nur Gedanken, nicht automatisch Wahrheiten.
  • Sich gut um sich kümmern. Das Gefühl der Isolation oder der Trennung ist sehr schmerzhaft. Erlaube dir etwas Gutes: schau deine Lieblingsserie, spiel mit dem Haustier, ruf eine Freundin oder einen Freund an, lies ein gutes Buch, geh raus spazieren, gönne dir ein Stück Kuchen, tanz zu deiner Lieblingsmusik. Es geht nicht darum, sich danach besser zu fühlen – das mag eventuell nicht so sein. Es geht darum, sich gut um sich zu kümmern, eben WEIL es gerade nicht so gut geht.
  • Stärkung des Fürsorgesystems. Es gibt bestimmte Meditationen und Reflexionen, die das innere System der Verbundenheit und der Resilienz stärken. Je öfter wir hier verweilen, desto verbundener und innerlich zufriedener können wir werden. Beispiele sind hier der „Wohlfühlort“, „Sich sicher und verbunden fühlen“ oder auch die „Bergmeditation“. Und probier doch mal die „Kraftkugel“ aus! Hier geht es zum Download.

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